Folgende Publikationen des Vereins Wiener Frauenhäuser sind unter der Telefonnummer 01/485 30 30 oder unter verein@frauenhaeuser-wien.at erhältlich.
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Handreiche

Handreiche zum Umgang mit Gewalt im Zusammenhang mit Obsorge und Kontaktrecht

Studien

Studie „Cybergewalt gegen Frauen in Paarbeziehungen“
Studie „Psychische Gewalt gegen Frauen“
Studie „Sexualisierte Gewalt in Paarbeziehungen“

Tätigkeitsberichte

Tätigkeitsberichte des Vereins Wiener Frauenhäuser

Tagungsberichte (inklusive Redebeiträge und Fachartikel)

Tagungsbericht „30 Jahre Frauenhäuser Wien“
Tagungsbericht „Beschädigte Seele – über Zusammenhänge zwischen häuslicher Gewalt und psychischen Erkrankungen“
Tagungsbericht „Ohne mich bist du nichts – Psychische Gewalt in der Familie“

Infofolder

Infofolder: Soforthilfe für misshandelte Frauen und ihre Kinder – Wiener Frauenhäuser (rot), verschiedene Sprachen

Infofolder: Beratungsstelle der Wiener Frauenhäuser (blau)

Infofolder: Beratung und Prozessbegleitung (grau)

Infofolder: Frauenhaus für junge Frauen (magenta)

Infofolder: Perspektive:Arbeit (orange)

Infofolder: Begleitung von gewaltbetroffenen Frauen im Rahmen der Antigewalttrainings (grün)

Infofolder in leicht verständlicher Sprache: Gewalt ist nicht OK

Plakate

Plakate (A1) mit der Notrufnummer der Wiener Frauenhäuser

Ausstellungskatalog

Katalog zur Ausstellung „Am Anfang war ich sehr verliebt … – 40 Jahre Wiener Frauenhäuser“

Bücher

Buch „Am Anfang war ich sehr verliebt …“ – Frauen erzählen von Liebe, Gewalt und einem Neubeginn im Frauenhaus. – Preis: 15 Euro zuzüglich Versandkosten


Ausstellungskatalog

„Am Anfang war ich sehr verliebt … – 40 Jahre Wiener Frauenhäuser“

Ausstellungskatalog (1.27 MB PDF)

Die gedruckte Ausgabe des Katalogs ist erhältlich unter: 01/485 30 30 oder verein@frauenhaeuser-wien.at.


Tagungsbericht

Tagung „Beschädigte Seele – über Zusammenhänge zwischen häuslicher Gewalt und psychischen Erkrankungen“

Tagungsbericht (1.2 MB PDF)
Kontakt: verein@frauenhaeuser-wien.at


Forschungsarbeiten zur Arbeit der Wiener Frauenhäuser

Die FH Campus Wien „Soziale Arbeit“ forciert es, dass Studierende Ihre abschließenden Bachelorarbeiten über die Tätigkeiten eines sozial tätigen Vereins verfassen. Auf diese Weise soll der Brückenschlag zwischen Theorie und Praxis gelingen und das erlernte, wissenschaftliche Arbeiten angewandt werden. Die Vorteile dieses Vorgehens liegen auf der Hand: Studierende lernen die Welt der praktischen Sozialarbeit noch einmal auf eine ganz besondere Art und Weise kennen, während sozialen Vereinen die Möglichkeit geboten wird, ihre Aufgabengebiete wissenschaftlich erforschen zu lassen.

Letztes Jahr meldeten sich gleich zwei Studierenden-Gruppen beim Verein Wiener Frauenhäuser. Eine Gruppe bot an die Angebote des Vereins zu evaluieren, die andere Gruppe wollte die Arbeitsweise des Vereins – in Hinblick auf nachhaltige Veränderungen der Lebenskonzepte (ehemaliger) Klientinnen – untersuchen. Beide Gruppen entschieden sich für ein qualitatives Studiendesign und wir freuen uns sehr, dass sie uns ihre zentralen Ergebnisse für unsere Homepage zusammengefasst haben.

Wir haben den Umgang aller Studentinnen mit der Thematik, wie auch mit den Klientinnen, als sehr wertschätzend, einfühlsam und konstruktiv empfunden und möchten uns daher namentlich bei Antje-Kristin Baier, Helga Gaber, Bojana Gajic, Eylo Günel, Maria Moser, Mihaela Popovici, Angelika Widowitz, Raffaela Wilfing und Corinna Ziegler herzlich für ihre Mühe, Geduld und ihr großes Engagementbedanken. Wir wünschen allen für ihren weiteren Weg alles Gute!

„Das Leben danach – Empowermentstrategien des „Vereins Wiener Frauenhäuser“ und deren nachhaltige Auswirkungen auf die Lebenskonzepte ehemaliger Bewohnerinnen“

Verfasserinnen: Helga Gaber, Maria Moser, Angelika Widowitz und Corinna Ziegler

„Einmal Gewalt ist immer Gewalt. Nein, ich akzeptiere das nicht mehr.“1
Leben nach dem Frauenhaus2

Helga Gaber, Angelika Widowitz, Corinna Ziegler

Jede vierte Frau erlebt im Verlauf ihres Lebens Gewalt in einer Paarbeziehung. Der „Verein Wiener Frauenhäuser“ ist für von Beziehungsgewalt betroffene Frauen eine zentrale Anlaufstelle mit zahlreichen Unterstützungs- und Hilfsangeboten. Neben Sicherheits- und Schutzmaßnahmen, Angeboten zur Bewältigung des Erlebten, rechtlicher Unterstützung und Beratung sowie Hilfestellungen bei Behördenwegen liegt ein besonderer Schwerpunkt der Frauenhausarbeit im Bereich des gezielten Empowerment der Bewohnerinnen. Die selbstermächtigenden Arbeitsansätze des Frauenhauses ermöglichen den betroffenen Frauen nachhaltige Veränderungen in ihren Denk- und Handlungsspielräumen zu erarbeiten, gleichzeitig soll zukünftigen Gewalterfahrungen vorgebeugt werden.

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Spezielle Schwerpunkte der Untersuchung, die in einer studentischen Forschungsarbeit durchgeführt wurde, waren die Veränderungen der Selbstbilder und der Selbstwahrnehmungen ehemaliger Frauenhausbewohnerinnen und deren Umgang mit, sowie deren neuen Einstellungen zu potentieller Gewalt in Paarbeziehungen während und nach dem Frauenhausaufenthalt. Für die Forschungsarbeit wurden 17 ehemalige Bewohnerinnen anhand von qualitativen Interviews befragt. Die wichtigsten Erkenntnisse werden in den folgenden vier Punkten des Beitrags dargestellt.

1. Verändertes Selbstverständnis weiblicher Identität
Die Interviewpartnerinnen gaben an, nach dem Frauenhausaufenthalt ein verändertes Verständnis hinsichtlich geschlechterspezifischer Rollenbilder und Vorstellungen von Männlichkeit und Weiblichkeit entwickelt zu haben. So verloren traditionelle Frauenthemen wie grenzenlose Mütterlichkeit, Selbstlosigkeit, eine aufopfernde Haltung und das Suchen nach Erfüllung in der Rolle der guten Ehefrau und Mutter an Bedeutung. Dementsprechend äußerte sich Laura über die Geschlechterrollen in der Gewaltbeziehung:

„Er hat immer nur gesagt, ich bin ein Mann, du eine Frau. Was ich sage, machst Du. Wenn ich schlafe, musst du auch schlafen. Ich hatte keine Chance. Ich durfte nicht leben. Er hat alles genommen. Er hat mir keine Chancen gegeben.“ (Laura 10: 287-291)

Zu diesem Thema meinte Arielle:

„Ich habe eigentlich alles gemacht. Also mein Exmann kommt aus Ägypten. Eigentlich war alles ganz klar aufgeteilt. Ich habe den Haushalt gemacht und mich später auch um die Kinder gekümmert und er hat sozusagen das Geld nachhause gebracht. Ja das war unsere Aufteilung. Ich habe wirklich alles gemacht, also auch die Erziehung der Kinder. Ich habe alles übernommen. Also alle Sommerfeste, alle Arztbesuche und Elternabende usw. Ich selber. Also da war ich zuständig.“ (Arielle 1: 24-30)

Die veränderte Sicht auf die eigene Rolle wurde durch die Aussagen von Linda und Iris deutlich:

„Und vom Frauenhaus habe ich Kraft gekriegt und mein Selbstbewusstsein und so. Ich bin eine echte Frau und ich bin eine Mutter und ich bin ein Mensch, ein selbstständiger Mensch. Und dort habe ich auch in verschiedenen Situationen gelernt, dass ich ja sagen kann: Ja, das gefällt mir; das gefällt mir nicht. Und das hat sehr viel für die Zukunft geholfen.“ (Linda 106: 2895-2900)

„Es wird alles aufgeteilt. Miteinbezogen die Tochter. Es wird aufgeteilt. Wenn er zuhause ist, dann macht er. Wenn ich zuhause bin, mache ich. Am Wochenende, wenn wir zuhause alleine sind, dann kocht oft er. Wenn sie da ist, dann schauen wir, dass wir mit ihr gemeinsam kochen, damit sie lernt.“ (Iris 22: 685-689)

Auch Renate gab an: „Ich bin eine Frau, die fleißig, selbstständig und clever ist. Ich mache alles alleine. Ich schaffe alles alleine.“ (Renate 2: 56-58). Die eigenen Wünsche und Bedürfnisse erlangten dadurch einen höheren Stellenwert. Dazu zählte, den eigenen Körper neu kennenzulernen und über diesen selbst zu bestimmen, was mit einer Stärkung der physischen Ressourcenmacht einhergeht (vgl. Egger et al. 1995: 46). Iris beschrieb beispielsweise: „Und erst im Frauenhaus […] habe ich angefangen meinen Körper neu kennenzulernen.“ (Iris 3: 77-78). Irina sagte ebenfalls:

„Das klingt vielleicht ein bisschen absurd, aber für mich ist es wichtig. Ich habe mich nicht als schön empfunden. Vom Frauenhaus habe ich gelernt, dass wir schön sind. Und das ist für mich eine große Veränderung, weil ich sehe, dass das Leben auch schöner ist. Das hat sich komplett geändert. […] Und jetzt fühle mich auch ohne Schminke wohl, die Kraft kommt von innen.“ (Irina 23: 569-580)

Mit der (wieder)erlernten Fähigkeit eigene Gefühle ausdrücken zu wollen und zu können, eröffneten sich den Frauen verschiedenste Möglichkeiten.

„Wenn mir irgendetwas nicht passt, dann sage ich das früher. Ich warte nicht so lange bis es drinnen anfängt weh zu tun, sondern reagiere schneller. Aus der Seele heraus sprechen und man darf alles sagen. Kein Genieren. Wenn du was fragst, kriegst du Antworten. Wenn du nicht fragst, kriegst du auch keine Antworten.“ (Iris 19: 582-587)

Die betroffenen Frauen nahmen sich als eigenständige Wesen wahr, weshalb sie ihr Verhalten nicht mehr den Erwartungen und Ansprüchen anderer unterordneten. Die zuvor hingenommene männliche Dominanz in der Paarbeziehung wich höheren Ansprüchen an eine neue Beziehung und veränderte im Allgemeinen die Einstellung zu sozialen Kontakten. Dabei nahmen Partnerschaften generell nicht mehr einen so hohen Stellenwert in den Lebenskonzepten der befragten Frauen ein und das eigene Wohlergehen sowie jenes der Kinder standen im Vordergrund. Folgende drei Aussagen verdeutlichen dies: „Und ich habe gesagt, ich akzeptiere dich. Aber nur wenn du normal zu mir bist.“ (Irina 27: 672-673). „Ich habe gesagt, mit Beziehung oder ohne Beziehung. Ich konzentriere mich nicht mehr darauf, diese Beziehung um jeden Preis behalten zu müssen. Nein. Das ist für mich nicht mehr das Wichtigste im Leben.“ (Linda 124: 3395-3397). „Wenn er sich mit meinen Kindern gut versteht und so und er möchte mit uns zusammenleben, dann kann er bei uns leben.“ (Emma 43: 1363-1364).

In Bezug auf zukünftige Beziehungen zeigte sich weiter, dass die befragten Frauen entweder keine Beziehung mehr eingehen wollten oder höhere Erwartungen an die Persönlichkeit und das Verhalten des Partners stellten, wie in Punkt 3 noch ausführlich dargelegt wird. Beispielsweise erklärte Eva:

„Ein Mann muss mich respektieren. Ich brauche Respekt. Respekt. Ich respektiere ihn, er respektiert mich und er darf mich nicht noch einmal schlagen. Dann bin ich weg. Und ich brauche einen Mann, der mich respektiert, egal wie er ist. Reich. Egal. Ist er Millionär – er muss mich respektieren, wie ich bin. Er darf mich nicht beschimpfen und wie den letzten Dreck behandeln. Ich will das nicht mehr.“ (Eva 13: 396-400)

Im Rahmen der Veränderung des eigenen Selbstverständnisses beschreibt auch Margrit Brückner (vgl. 1998: 55), dass sich ehemals von Gewalt betroffene Frauen im Nachhinein als gänzlich andere Personen wahrnehmen, weshalb gerade Veränderungen im Bereich der weiblichen Selbstbilder einen zentralen Faktor für ein selbstbestimmteres und gewaltfreies Leben darstellen. Außerdem repräsentiert dieser Wandel durch Stärkung der Artikulations- und Positionsmacht sowie der personalen Autorität ein wesentliches Ziel der Empowerment-Arbeit (vgl. Egger et al. 1995: 46f.; Staub-Bernasconi 2007: 406).

2. Erweiterte Selbstständigkeit und Unabhängigkeit
Aufbauend auf dem veränderten Selbstverständnis zeigte sich bei den Frauen eine Ausweitung des Freiheitsgefühls, ein gestärkter Selbstwert, ein neues Selbstverständnis, ein verstärktes Verlangen über das eigene Leben zu reflektieren und ein erhöhtes Selbstbewusstsein. So erzählte etwa Irina: „Ich bin selbstbewusster, ich will selbstständig mit meinem eigenen Geld alles im Griff haben und nicht abhängig von einem Mann sein.“ (Irina 27: 679-681). Gefühle von Selbstzweifeln wichen jenen von Verantwortungsbewusstsein für das eigene Leben sowie mehr Ruhe und Gelassenheit gegenüber alltäglichen Herausforderungen.

„Ich werde mich nie finanziell von jemandem beeinflussen lassen, mich nicht abhängig machen und überhaupt. Also ich möchte selbst über mein Geld bestimmen, es organisieren und so weiter. Ich würde nicht zulassen, dass jemand anderes das für mich macht.“ (Katharina 27: 772-775)

Im Gegensatz zu vormals eingeengten Handlungsspielräumen durch eine oftmals engmaschige Überwachung und Kontrolle durch den gewalttätigen Partner zeigt sich eine deutliche Veränderung in der Lebenswelt der Frauen, vor allem hinsichtlich neuer Fähigkeiten, die sie an sich selbst beobachten konnten. Viele sprachen von ihrer wiedergewonnenen inneren Stärke und neuer Selbstständigkeit. So erzählte Katharina:

„Ich habe nicht gedacht, dass ich es schaffe zum Beispiel eine Wohnung selber zu möblieren. Oder ich weiß es nicht. Da habe ich mich total geschreckt. Wie mache ich das, wie mache ich das? Und dann hab ich gesehen, das ist alles möglich mit guter Organisation und Nachdenken“. (Katharina 23f: 722-726).

Dazu führte Anna an: „Das hat sich geändert, dass ich jetzt wieder mehr die Freiheit habe und nicht immer alles schlucken muss.“ (Anna 34: 1089-1090).

Das Leben der betroffenen Frauen war während der Beziehung von Gewalt und Isolation geprägt. Emma gab an: „[…] weil wir so isoliert waren. Wir haben nicht wirklich Freunde gehabt dort.“ (Emma 8-9: 256-257). Nach dem Frauenhausaufenthalt berichteten hingegen viele über einen veränderten Tagesablauf, wodurch aus sozialen Kontakten wieder Lebensfreude gewonnen werden konnte, wie Laura beispielhaft feststellte:

„Ja, na sicher. Wir haben jetzt viel mehr Besuch. Wir sind auch sehr oft bei unseren Freunden eingeladen. Und es ist ganz toll.“ (Laura 47: 1493-1494).

Wichtig war den betroffenen Frauen, sich dem Alltag alleine stellen zu können, ohne sich auf partnerschaftlicher oder familiärer Ebene abhängig machen zu müssen, und das Leben selbst zu organisieren. Dies äußerte sich vor allem in der Ausübung eines Berufs, dem Besitz einer Wohnung, der Regelung der eigenen Finanzen und dem Überwinden der Scheu im Kontakt mit öffentlichen Institutionen. Die während der Gewaltbeziehung empfundene Hilflosigkeit, Veränderungen im eigenen Leben nicht selbstständig herbeiführen zu können, wich positiven und selbstbewussten Gegenwarts- und Zukunftsvorstellungen. Zu diesem Thema erzählten Lara, Anni und Laura:

„Das ist der Grund, wegen dem ich sehr froh bin, also mit der Wohnung jetzt. Die Wohnung läuft auf meinen Namen. Und ich kann nicht rausgeschmissen werden, weil das meine Wohnung ist und ich zahle die Miete dafür. Und ich werde nicht wieder so viele tausend Euro investieren und alles verlieren und dann vor dem Nichts stehen.“ (Lara 47: 1476-1478).

„Das was sich sicher sehr viel verändert hat: Erstens, ich kann die Angebote dieser Stadt einfach nutzen und ich habe diese dann auch in anderen Bereichen genutzt, ja. […] Ich hatte irgendwie Überblick, was man wie machen kann. Und hier in Österreich gibt es ganz viele Möglichkeiten. Nur man braucht diese Information, und man hat diese Information oft nicht. Und […] im Frauenhaus hatte ich gelernt irgendwie mit diesen ganzen Institutionen umzugehen.“(Anni 31: 940-946).

 

„Ich brauche von keinem Mann Hilfe oder so was. Zum Beispiel habe ich meine Wohnung selbst ausgemalt. Ich habe das selbst gemacht. Das war zwar ein bisschen viel, aber ich kann es alleine machen. Wenn etwas kaputt ist, kann ich das auch selbst machen. Auch zum Beispiel die Couch oder sowas habe ich selbst gekauft. Ich brauche keine Hilfe. Ich habe alle Möbel montiert und alles selbst gemacht. Ich brauche keinen Mann.“ (Laura 21: 606-611).

 

Zusätzlich nahmen in den Zukunftswünschen der Frauen berufliche Chancen und höhere Ausbildungsniveaus einen besonders herausragenden Stellenwert ein. Dazu meinte Linda:

„Ich war so überrascht, dass ich den Test geschafft habe. […] Und das war sehr schön für mich, ja. Und ich hatte all diese Kraft und alles was ich gelernt habe. Diese Kraft nach vorne zu gehen und etwas im Leben zu schaffen […]“. (Linda 61: 1664-1669).

Ebenso zeigte sich, dass eigene Ansprüche zielstrebiger als zuvor formuliert und durchgesetzt wurden. Dies verdeutlichte etwa die Aussage von Laura:

„Ich brauche keinen Mann. Ich sage allen Frauen, allen Freundinnen, sie sollen alle mit ihrem eigenen Kopf denken. Wenn man will, dann schafft man das schon. Ich brauche keinen Mann.“ (Laura 22: 656-658).

 

Darüber hinaus standen im Gegensatz zu früher bei den betroffenen Frauen ein Hinterfragen von Informationen der Umwelt und das Vertreten einer eigenen Meinung im Zentrum der neuen Lebensvorstellungen.

3. Entwicklung neuer und vielfältiger Beziehungskonzepte
Im Vergleich zu früher beschrieben die Interviewpartnerinnen unterschiedliche Herangehensweisen an neue Partnerschaften sowie neu entwickelte Beziehungskonzepte. Es konnten hierbei zwei große Gruppen unterschieden werden. So äußerte ein Teil der Frauen – die sogenannten „Beziehungsverweigerinnen“–, dass sie im Moment oder dauerhaft keine neue Beziehung eingehen wollten. Die Erfahrungen und Enttäuschungen, die sie gemacht hatten, brachten diese Gruppe zur Ansicht, dass sie sich lieber auf andere Dinge konzentrieren wollten und auch ohne Mann glücklich sein konnten. Beziehungen wurden von dieser Gruppe eher als negativ und hinderlich bewertet. So erklärte Suna: „Ich will keinen Mann mehr. Ich sehe viele Frauen, die viele Probleme haben. Das ist schlecht. Für mich gibt es keinen ordentlichen Mann. Ich bin glücklich alleine mit meinen Kindern.“ (Suna 4: 94-96).

Die zweite Gruppe, die „Anspruchsstellerinnen“, war bereits in einer neuen Beziehung oder wollte in Zukunft wieder in einer Partnerschaft leben, formulierte allerdings nun sehr konkrete Vorstellungen. So ließ sich feststellen, dass im Gegensatz zu früheren sehr vagen und anspruchslosen Ideen vom Beziehungsleben nun die Bedürfnisse sehr konkret formuliert wurden. Deutlich wurde dies etwa durch die Schilderungen von Anni und Laura über ihre Vorstellungen einer Partnerschaft während der Gewaltbeziehung:

„Ich hatte nicht wirklich einen Plan gehabt, wie eine Familie funktionieren sollte. Ich wollte einfach nur – ja ich möchte mit diesem Menschen [zusammen, Anm. d. Verf.] sein. Ich mag ihn, ich liebe ihn. Ich überlege mir nichts genaues, weil ich unbedingt mit ihm zusammen sein will und alles andere ist eigentlich in dem Sinn, egal würde ich nicht sagen, aber es war für mich einfach Verliebtheit da, wahrscheinlich.“ (Anni 2: 44-49).

„Als ich noch nicht verlobt war, habe ich gedacht, okay ich werde heiraten und dann wird es ein bisschen besser. Ich wohne in einem schönen Haus oder einer Wohnung. Ich habe gedacht, es wird gut, er hält [erhält, Anm. d. Verf.] mich. Dann, bin ich vielleicht ein bisschen freier. Vielleicht kann ich eine schöne Hose oder Bluse anziehen. Ich kann vielleicht mit meinem Mann spazieren gehen. Ich habe gedacht, ich werde viel Spaß mit meinem Mann haben […].“ (Laura 8: 218-223).

Aufgrund veränderter Perspektiven war es für die Gruppe der „Anspruchsstellerinnen“unbedingt erforderlich, dass Beziehungen gewaltfrei, respektvoll und durch beiderseitige psychische und praktische Unterstützung im Alltag geprägt sein sollten. So erläuterte Linda ihr jetziges Beziehungsleben folgendermaßen:

„[…] Weil er zeigt mir, dass ich eine Frau bin, ja. Er ist nett zu mir, zum Beispiel. Es interessiert ihn, wenn es mir schlecht geht oder er fragt mich […]. Und das ist das Wichtigste […]. Einmal war ich einkaufen, einmal war er. Er hat gekocht, wenn ich gearbeitet habe am Nachmittag. […] wenn ich Dienste hatte, dann hat er einmal gekocht. Und ich bin nach Hause gekommen und die Kinder hatten schon geges-sen. Und die waren schon im Pyjama, ja. Und das war was Schönes, das hab ich früher nicht gekannt.“ (Linda 122: 3334-3341).

Einige Frauen äußerten auch den Wunsch nach einer selbstständigen Lebensführung, wie etwa Katharina:

„Und ich finde auch grundsätzlich, wenn man wirklich einen Mann lieb hat und mit ihm leben will, dann muss man sich Zeit nehmen und diese Zeit habe ich nicht. Daher habe ich mir gedacht, so eine halbe Sache funktioniert einfach nicht. Und da denke ich. Mir geht´s daweil so gut, wie es ist. Belasse ich es so, ist das auch für die Kinder besser – bis sie später wirklich von zu Hause ausziehen. […] Also bis sie 18 sind möchte ich nicht mit einem Mann zusammenleben.“ (Katharina 27: 831-837).

Die veränderten Einstellungen nach dem Frauenhausaufenthalt waren auch geprägt von einer gewissen Gelassenheit gegenüber der Dauer der Partnerschaft. Wichtig war vor allem sich in der Beziehung wohl zu fühlen, allerdings war es aus Sicht der Frauen auch in Ordnung, wenn sie beendet wurde, sobald der Partner sich negativ veränderte. Die momentane Situation wurde wertgeschätzt, es bestand allerdings das gleichzeitige Wissen über die Fragilität des Zusammenlebens, wie die Aussage von Linda verdeutlichte:

„Das Leben ist kein Märchenfilm, in dem ich die Prinzessin bin. Jetzt kommt der Prinz und wir leben glücklich bis ans Lebensende. Er [mein Mann, Anm. Verf.] hat auch viele Fehler, er hat viele Geheimnisse. Aber das Einzige, woran ich jetzt denke, ist, dass er – wenn auch nur für kurze Zeit – meine Kinder und mich wirklich glücklich macht. Und wenn er dann weiter geht oder weggeht von uns, oder wenn wir einmal getrennt sind oder wenn ich nicht mehr will, das war eine schöne Zeiten. Und ich kann sagen, er hat mich nie geschlagen, er hat mich oder die Kinder nicht vergewaltigt.“ (Linda 121: 3118-3225).

Diese Erkenntnisse sind vergleichbar mit den Ergebnissen der „Analyse über die Erwartungen und Erfahrungen von Benutzerinnen“ von Christina Hanetseder (1992) sowie den Ergebnissen der Studie von Elfriede Fröschl (2010) über sexualisierte Gewalt in Paarbeziehungen. Auch in diesen Studien wurden Beziehungsvorstellungen bewusster wahrgenommen und einige der Frauen gaben an, keine Partnerschaft zu wollen, da ihr eigenes Leben und die Förderung ihrer Fähigkeiten momentan den wichtigsten Stellenwert einnehmen sollten (vgl. Fröschl 2010: 55; Hanetseder 1992: 154).

4. Sensibilisierung für das Thema Gewalt in Paarbeziehungen
Schlussendlich zeigte sich bei den befragten Frauen eine Sensibilisierung für potentielle Gewalt in Paarbeziehungen sowohl auf gedanklicher als auch auf praktischer Handlungs- und Alltagsebene. Sie drückte sich einerseits in den Äußerungen über den Umgang mit potentiellen neuen Gewalterfahrungen in Beziehungen aus, andererseits aber auch in Bezug auf Vorstellungen über oder Erfahrungen in neuen Beziehungen. Während der Gewaltbeziehung berichteten viele der befragten Frauen von Gefühlsarmut, Emotionslosigkeit und von einer resignierten Hinnahme der Gewalt:

„Und ja, also man ist lebensstrategisch sehr, sehr gut. Also in solchen Fällen, wenn man nicht will, dass die anderen Bescheid also. Man zieht natürlich lange Westen an. Weil, wenn du so voller blauer Flecken (Hämatome) bist, dann gehst du sicher nicht mit kurzärmligem T-Shirt an die Uni.“ (Lara 19: 609-613).

„Ich habe gar nichts gefühlt. Ich habe immer alles akzeptiert. Ich habe nur kurz geweint. Sonst gar nicht. Wenn er mich geschlagen hat, habe ich das akzeptiert.“ (Laura 11: 313-315). Irina erläuterte exemplarisch ihre veränderte Sichtweise nach dem Frauenhausaufenthalt: „Einmal Gewalt ist immer Gewalt. Nein. Ich akzeptiere auch Gewalt nur durch Worte nicht mehr, weil auch das ist Gewalt. Psychische Gewalt. Nein, ich akzeptiere das nicht mehr.“ (Irina 28: 706-709)

Alle befragten Frauen stimmten überein, dass sie neuerliche Beziehungsgewalt nicht mehr zulassen und akzeptieren würden. Dazu äußerte sich zum Beispiel Renate wie folgt:

„Dann [bei neuerlicher Gewaltanwendung, Anm. d. Verf.] wäre es sofort aus. Ich warte nicht oder gebe eine Chance, nein. Wenn ein Mann Gewalt ausübt, dann heißt das, dass er so geboren und aufgewachsen ist und sich das nicht ändern wird. Dann brauche ich mit ihm keine Zeit zu verlieren. Wenn er Gewalt ausübt, ist das seine Persönlichkeit und in ihm drinnen.“ (Renate 19f: 604-609).

Geprägt durch die eigenen Erfahrungen sowie durch Informationen und Wissensvermittlung im Frauenhaus nannten die Interviewpartnerinnen als denkbare Reaktionen und Verhaltensweisen auf neuerliche Gewaltausübungen die Möglichkeit, den Mann sofort aus der Wohnung zu weisen, selbst die Wohnung zu verlassen oder die Polizei zu verständigen und rechtliche Schritte zu setzen: „Jetzt würde ich die Tür öffnen und würde sagen: Raus! Ich will dich nicht mehr sehen.“ (Caro 12: 344). „Wenn er aggressiv wäre, wenn er etwas machen würde, würde ich sofort gehen und eine Anzeige bei der Polizei machen und es wäre Schluss.“ (Eva 14: 426-427).

„Weil da haben sie [die Mitarbeiterinnen im Frauenhaus, Anm. d. Verf.] mich hauptsächlich bestätigt, welche Rechte Frauen in Österreich eigentlich haben. Und das hatte ich natürlich nicht gewusst beziehungsweise nicht gelernt.“(Katharina 26: 791-793).

Die befragten Frauen beschrieben sehr eindeutig, dass sie eine neuerliche Gewaltbeziehung viel schneller beenden und keine Gewaltanwendungen jeglicher Form mehr akzeptieren würden. Es zeigte sich, dass alle Interviewpartnerinnen bei neuerlicher Beziehungsgewalt anders reagieren wollten, als in der erlebten Gewaltbeziehung. Hier spielte auch eine zentrale Rolle, dass die Frauen, wie bereits in den Punkten 1 und 2 erläutert, jetzt ein eigenständigeres Leben führten, in den meisten Fällen einen Beruf ausübten, sich nicht in einer finanziellen Abhängigkeit von einem Mann gefangen sahen und durch eigene Wohnungen einen Rückzugsraum zur Verfügung hatten.

„Ich will alles selber haben. Eine eigene Wohnung haben. Ich mag nicht, dass ich das von einem Mann bekomme. Ich lebe, ich esse, ich wohne. Für mich muss ich das selbst machen. Ich habe das, was ich brauche. Ich brauch keinen Mann, damit er mir so was gibt. Ich habe alles, was ich brauche. […]. Ich brauche einen Mann, der für mich da ist. Ich brauche nicht, dass er für mich etwas tut. Er schaut mich dann von oben herab an und ohne ihn bin ich nichts. Der Mann muss wissen: Mit ihm bin ich okay und ohne ihn bin ich auch okay.“ (Renate 19: 578-588).

Zusammenfassend konnte, basierend auf den Ergebnissen der Forschungsarbeit, festgestellt werden, dass die vom „Verein Wiener Frauenhäuser“geleistete Empowerment-Arbeit nachhaltige Veränderungen in den verschiedensten Lebensbereichen ehemaliger Frauenhausbewohnerinnen bewirkt hat. Es war erkennbar, dass die Frauen sowohl im Bereich des Selbstbildes als auch in Bezug auf ihren Umgang mit potentiellen, zukünftigen Gewalterfahrungen durch die selbstermächtigenden Arbeitsansätze einen deutlichen Wandel durchlebt haben. Offen bleibt allerdings, wie betroffene Frauen tatsächlich auf neuerliche Gewalt reagieren, da die Repräsentantinnen der Studie nach dem Frauenhausaufenthalt nicht wieder mit Gewalt in Paarbeziehungen konfrontiert waren und daher tatsächliche Reaktionen auf neuerliche Gewalt in einer Partnerschaft nicht beschrieben werden konnten.

Quellenangabe:
Brückner, Margrit (1998): Wege aus der Gewalt gegen Frauen und Mädchen. Eine Einführung. Frankfurt am Main.
Egger, Renate/Fröschl, Elfriede/Lercher, Lisa/Logar, Rosa/Sieder, Hermine (1995): Gewalt gegen Frauen in der Familie. Wien.
Fröschl, Elfriede (2010): Sexualisierte Gewalt in Paarbeziehungen. Eine Studie des Vereins Wiener Frauenhäuser. Wien.
Hanetseder, Christa (1992): Frauenhaus: Sprungbrett zur Freiheit? Eine Analyse der Erwartungen und Erfahrungen von Benutzerinnen. Beitrag zur Evaluation eines feministischen Projekts. Bern, Stuttgart, Wien.
Staub-Bernasconi, Silvia (2007): Soziale Arbeit als Handlungswissenschaft. Mainz.

Irina 28: 706-709
Dieser Artikel basiert auf der Bachelorarbeit „Das Leben danach – Empowermentstrategien des „Vereins Wiener Frauenhäuser“ und deren nachhaltige Auswirkungen auf die Lebenskonzepte ehemaliger Bewohnerinnen“, die an der FH Campus Wien verfasst wurde. Verfasserinnen: Helga Gaber, Maria Moser, Angelika Widowitz, Corinna Ziegler. An einigen wenigen Stellen wurden Interviewpassagen verändert, um die Verständlichkeit zu erleichtern.

„Angebote der Frauenhäuser“

Verfasserinnen: Antje-Kristin Baier, Bojana Gajic, Eylo Günel, Mihaela Popovici und Raffaela Wilfing

„Das war für mich so, wie neu geboren“. (Linda*)
„Die Leute interessieren sich, fragen dich:
Hey, was ist passiert?“ (Gertrude*)
„Platz im Frauenhaus ist die Lösung! (…)
Ich bin nicht mehr im Gefängnis!“ (Suna*)

Gewalt gegen Frauen gehört zu den beschwerlichsten geschlechtsspezifischen Verletzungen der Menschenrechte. In Europa wird davon ausgegangen, dass ein Fünftel bis ein Viertel aller Frauen mindestens einmal im Leben mit Gewalt durch ihren (Ex-) Partner konfrontiert werden. Bei der UN-Weltfrauenkonferenz wurde eine der umfassendsten Definitionen von Gewalt gegen Frauen konzipiert. „Jede Handlung geschlechtsbedingter Gewalt, die der Frau körperlichen, sexuellen oder psychologischen Schaden oder Leid zufügt oder zufügen kann, einschließlich der Androhung solcher Handlungen, der Nötigung oder der willkürlichen Freiheitsberaubung in der Öffentlichkeit oder im Privatleben.“ (Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend 1996) Gewalthandlungen werden primär von Männern an Frauen verübt.

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Seit nunmehr über 30 Jahren beschäftigt sich der Verein Wiener Frauenhäuser, welcher mittlerweile vier Häuser beziehungsweise Schutzeinrichtungen in Wien umfasst, mit Frauen, die von Gewalt betroffen sind. Dabei handelt es sich um Frauen, die primär durch ihren Ehegatten oder Lebensgefährten, in einigen Fällen sogar durch einen Ex-Partner, körperliche, psychische, sexuelle und/oder ökonomische Gewalt erfahren haben.

Frauen und ihre Kinder erhalten Sicherheit im Frauenhaus, werden zu diversen Themenbereichen, wie z.B.: Scheidung/Trennung, Unterhalt etc. beraten und bekommen eine vorübergehende Wohnmöglichkeit. Das Unterstützungsangebot inkludiert unter anderem auch ärztliche, psychologische und juristische Konsultationen. Das Zusammenleben und die Arbeit im Frauenhaus sind durch verbindliche Regelungen bestimmt. Hierdurch soll sowohl die Sicherheit gewährleistet, als auch ein einträchtiges Zusammenleben gefördert werden. Der Aufenthalt in solch einer Einrichtung bietet den gewaltbetroffenen Frauen darüber hinaus auch die Möglichkeit, zu einer neuen Sicht auf das Geschehene zu gelangen und gegebenenfalls die eigene Lebensführung neu auszurichten.

Um einen näheren Einblick in die subjektive Bewertung ehemaliger Nutzerinnen solcher Zufluchtsstätten betreffend der Hilfsangebote zu erhalten, wurden insgesamt 18 qualitative Interviews mit ehemaligen Nutzerinnen des Vereins Wiener Frauenhäuser geführt. Aus den Interviews geht hervor, dass gewaltbetroffene Frauen, den Schutz und die Sicherheit als herausragendes Angebot der Frauenhäuser wahrnehmen. Der Aspekt der Sicherheit stellt für die Betroffenen, sowie für ihre Kinder eine wichtige Ressource dar. Das Frauenhaus bietet durch diverse Maßnahmen wie die Anonymität der Adresse, sowie die Sicherheitsvorkehrungen beim Eingangsbereich umfassenden Schutz. Bereits beim Erstgespräch findet eine Sicherheitsberatung statt und es wird gemeinsam mit den Betroffenen ein Sicherheitsplan erstellt.

„Ich habe dort atmen gelernt, mich sicher gefühlt.
Ich konnte wieder ruhig schlafen.“ (Suna*)

Vor dem geplanten Auszug aus dem Frauenhaus findet ein Abschlussgespräch mit der zuständigen Sozialarbeiterin statt, in dem auf die wesentlichen Aspekte der Wahrung der Sicherheit Bezug genommen wird. Den Frauen werden unter anderem Notrufnummern mitgegeben; sie werden über relevante Inhalte des Gewaltschutzgesetzes informiert, wie zum Beispiel die Wegweisung und auf kostenlose und anonyme Beratungsstellen hingewiesen. Bei erneuter Gewalterfahrung können die Frauen jederzeit das Frauenhaus kontaktieren und dessen Schutz abermals in Anspruch nehmen.

„Durch Sicherheitsmaßnahmen im Frauenhaus können die Nutzerinnen angstfrei leben und Zukunftspläne schmieden.“

Bei der Aufnahme ins Frauenhaus findet das Erstgespräch zwischen einer Mitarbeiterin und den gewaltbetroffenen Frauen statt. Es wird versucht einen ersten persönlichen Kontakt zu den Betroffenen herzustellen, in dem vorwiegend aktiv zugehört wird und relevante Informationen über die Frauen eingeholt werden. Die Frauen bekommen die Gelegenheit über ihre Erlebnisse und ihre emotionale Befindlichkeit frei zu erzählen. Dabei werden mögliche Risikofaktoren, wie Verletzungen, psychische Erkrankungen oder Substanzmissbrauch berücksichtigt. Die Frauenhausbetreuerinnen stehen den Nutzerinnen ganztägig zur Verfügung, um neue Perspektiven entwickeln zu können. Die Betreuerinnen werden als verständnisvolle Gesprächspartnerinnen wahrgenommen, die den Frauen in dieser Lebensphase Unterstützung und Begleitung bieten.

„Ich hab gelernt, dass ich selbstständig bin, selbstbewusst und
mich selbst zu schützen und nein zu sagen.
Das hab ich auch von meine Beraterin gelernt.“ (Irina*)

Zur Erweiterung der Handlungs- und Entscheidungsspielräume zeigen die Betreuerinnen den Nutzerinnen Möglichkeiten auf und informieren unter anderem über rechtliche Aspekte. Gespräche und intensive Beziehungsarbeit aktivieren die Ressourcen der Frauen und führen zu einer Stärkung der Selbstsicherheit wodurch die Alltagsbewältigung der Bewohnerinnen verbessert wird.

„Eine positive emotionale Beziehung zur persönlichen Betreuerin führt zu mehr Selbstsicherheit und zur Verbesserung der Alltagsbewältigung der Nutzerinnen.“

Angebote, wie beispielsweise Sicherheit und Betreuung stehen im Verein Wiener Frauenhäuser, nicht nur den gewaltbetroffenen Frauen zur Verfügung, sondern auch ihren Kindern. Bei diesen handelt es sich ebenfalls um Betroffene, die Fürsorge und Orientierung brauchen, um die oftmals traumatischen Erfahrungen verarbeiten zu können. Für die Betreuung der Kinder im Frauenhaus sind die Kinderbezugsfrauen zuständig. Sie organisieren Gruppenaktivitäten und führen Beratungsgespräche mit den Kindern. Die Parteilichkeit der Kinderbezugsfrauen gegenüber den Kindern kann in Erziehungsfragen zu Meinungsverschiedenheiten zwischen den Müttern und den Kinderbezugsfrauen führen.

„Die Nutzerinnen haben gegenüber den Kinderbezugsfrauen ambivalente Gefühle.“

Ein wesentlicher Aspekt beim Zusammenleben im Frauenhaus, ist die tägliche Alltagsbewältigung mit den anderen Bewohnerinnen. Dabei werden gemeinsame Aktivitäten, wie beispielsweise Hausversammlungen sowie das Kochen seitens der ehemaligen Nutzerinnen positiv wahrgenommen. Aufgrund dieser Aktivitäten wird der Zusammenhalt zwischen den Bewohnerinnen gestärkt. Einerseits dienen diese Begegnungen dazu, miteinander Freude zu erleben und andererseits bieten sie die Möglichkeit Erfahrungen betreffend der erlebten Gewalt einander mitzuteilen.

„Zuerst ist man froh, wenn man mit anderen darüber redet, das los wird, dann denk ich mir, es sind dort alle in einem Boot, das bedeutet, das Verständnis ist schon mal ein ganz anderes.“ (Gertrude*)

Durch den Austausch untereinander entwickeln sich neue Perspektiven bezüglich des Umgangs mit dem Thema Gewalt und möglicher Bewältigungsstrategien. Gemeinsame Gespräche mit den anderen Bewohnerinnen sowie die professionelle Beratung seitens der Frauenhaus Mitarbeiterinnen fördern die Selbstreflexion und stärken das Selbstbewusstsein der Nutzerinnen.

„Erfahrungsaustausch zwischen Frauenhausbewohnerinnen stärkt das Selbstbewusstsein der Nutzerinnen.“

Im Rahmen der Lehrveranstaltung „Forschungswerkstatt“ an der Fachhochschule Campus Wien, unter der Leitung von Frau Mag.a Elfriede Fröschl, eine Mitbegründerin der Wiener Frauenhäuser, wurde die Idee des Vereins Wiener Frauenhäuser, eine Untersuchung bezüglich des breiten Spektrums an Angeboten dieser Einrichtung vorzunehmen, an die Studierenden der Sozialen Arbeit herangetragen. Baier, Gajic, Günel, Popovici und Wilfing erarbeiteten schließlich eine Bachelorarbeit zur Thematik Angebote der Frauenhäuser und bearbeiteten folgende Fragestellung anhand einer Literaturrecherche sowie einer qualitativen Studie: Wie werden Angebote der Frauenhäuser von den Nutzerinnen im Rückblick bewertet? Die Auswertung der Interviews lässt erkennen, dass der Aspekt des Schutzes und der Sicherheit für die ehemaligen Nutzerinnen als wichtigstes Angebot wahrgenommen wird. Diverse Sicherheitsmaßnahmen ermöglichen den Frauen zur Ruhe zu kommen und neue Perspektiven zu entwickeln. Gewaltbetroffenen Frauen werden Sicherheit, Halt und Orientierung geboten. Gemeinsame Aktivitäten bewirken einen Zusammenhalt in der Gruppe und fördern, neben der Beratung und Hilfestellung durch Frauenhausmitarbeiterinnen, die Entwicklung der Bewohnerinnen und ihrer Kinder. Insbesondere durch die Unterstützung und Begleitung sowie die Aktivierung der Ressourcen seitens der Frauenhaus Mitarbeiterinnen, werden die eigenen Handlungs- und Entscheidungsspielräume der Frauen weiterentwickelt. Die diesbezüglichen Auswertungen haben ergeben, dass das Selbstwertgefühl der ehemaligen Nutzerinnen durch Angebote des Vereins Wiener Frauenhäuser positiv beeinflusst wird und sie selbstständig der Alltagsbewältigung nachgehen können.

Baier, A-K./ Gajic, B./ Günel, E./ Popovici, M./ Wilfing, R. (2013): Angebote der Frauenhäuser. Bachelorgruppenarbeit, Fachhochschule Campus Wien

*Um die Anonymität der ehemaligen Nutzerinnen zu wahren, wurden die Namen in dieser Arbeit verändert.


„35 Jahre Verein Wiener Frauenhäuser“

Tagungsbericht „Ohne mich bist du nichts – Psychische Gewalt in der Familie“

Tagungsbericht (693 KB PDF)
Kontakt für Nachfragen: verein@frauenhaeuser-wien.at


Studie Sexualisierte Gewalt in Paar­beziehungen

Verein Wiener Frauenhäuser
(Projektleitung: Andrea Brem,
Autorin: Elfriede Fröschl)

Kurzfassung

Forschungsdesign: 16 teilstrukturierte Interviews (qualitativ) und Befragung von 63 Frauenhausbewohnerinnen mittels Fragebogen (quantitativ)

Ziel: sexualisierte Gewalt und deren Dynamiken in Paarbeziehungen erfassen

Sexualisierte Gewalt gegen Frauen in Paarbeziehungen ist eines der gesellschaftlich am stärksten tabuisierten Themen. Immer noch prägen Vorurteile wie „Vergewaltigungen und sexuelle Übergriffe werden in erster Linie durch unbekannte Täter verübt“ ein falsches Bild, denn viele Frauen erleiden sexualisierte Gewalt durch den eigenen Partner. Diese Studie soll mehr öffentliche Diskussion in Gang setzen und stereotype Vorstellungen aufbrechen, indem sie Dynamiken und Formen sexualisierter Gewalt in Paarbeziehungen erfasst.

Hierfür wurden 16 qualitative Interviews mit Frauen geführt, die von sexualisierter Partnergewalt betroffenen sind. Zusätzlich wurden 63 Frauenhausbewohnerinnen mittels Fragebogen zu ihren Erfahrungen hinsichtlich verschiedener Formen erlebter sexualisierter Gewalt befragt.

60% aller von körperlicher und psychischer Gewalt betroffenen befragten Frauen sind auch Opfer sexualisierter Gewalt

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Im Rahmen des quantitativen Studienteils gaben über 60% der befragten Frauen an, von sexualisierter Gewalt betroffen zu sein. Die Frauen mussten verschiedene Formen der Gewalt über einen längeren Zeitraum erleben. Manche Frauen gaben an täglich, bzw. mehrmals monatlich zu Sexualpraktiken, die sie nicht wollten, oder zu Geschlechtsverkehr gezwungen worden zu sein. Alle betroffenen Frauen1berichteten, dass vaginale Vergewaltigungen vorgefallen sind, 14 Frauen gaben an, dass dies mehrfach passierte. 10 Frauen gaben an ebenfalls mehrfach zu oralem und 2 Frauen mehrfach zu analem Geschlechtsverkehr von ihren Partnern gezwungen worden zu sein. Bei 10 Frauen wurde Zwang zu Berührungen am Körper des Partners angewandt, 12 Frauen wurden gegen ihren Willen berührt und 7 Frauen mussten pornografische Bilder ansehen. Dennoch bezeichnete sich keine der Frauen als Opfer sexualisierter Gewalt. Einige Frauen bezeichneten sich erst dann als vergewaltigt, wenn zusätzlich auch körperliche Gewalt von Seiten des Partners ausgeübt wurde.

Schlussfolgerungen
Die Studie macht deutlich, in welchem großen Ausmaß Frauenhausbewohnerinnen von sexualisierter Gewalt betroffen sind. Sexualisierte Gewalt muss daher in den verschiedensten Bereichen wie Frauenberatung, Gesundheit, Polizei und rechtliche Beratung vermehrt zum Thema gemacht werden.

Rasche Verfestigung der Beziehung, trotz großer Bedenken

Die Auswertung der qualitativen Interviews zeigte, dass Beziehungen sehr oft und sehr schnell verfestigt wurden (z. B. durch Schwangerschaft, Heirat), obwohl die Frauen – die Beziehung betreffend – zum Teil große Bedenken hatten. Die Frauen erscheinen in ihrer Partnerwahl eher passiv und sprachen davon ihre Beziehung einfach „geschehen lassen zu haben“. Dynamisch fällt auf, dass durch diese Beziehungsverfestigung und das vermeintliche Erlangen von mehr „Sicherheit“, die Macht des Mannes gefestigt wurde, indem Frauen sowohl ökonomisch als auch psychisch abhängiger von der Beziehung wurden.

Schlussfolgerungen
Es sollte in der Jugendarbeit vermehrt zum Thema gearbeitet werden, was Jugendliche überhaupt von einer Beziehung wollen, wie eine (sexuelle) Beziehung ausgestaltet sein soll und was auf keinen Fall stattfinden soll. Besonders junge Frauen sind gefährdet, ihre Bedürfnisse nicht wahrzunehmen und/oder dafür nicht einzutreten und in Folge übernimmt der Partner alleine die Ausgestaltung der (sexuellen) Beziehung. Junge Mädchen sollen lernen, ihre Bedürfnisse wahr- und ernst zu nehmen und Grenzen setzen zu können, also lernen eine Form der Selbstfürsorge zu entwickeln.

Sexualisierte Gewalt wird lange ertragen

Obwohl Studienergebnisse belegen, dass 13% aller Frauen in einer Beziehung sexualisierte Gewalt schon einmal erlebt haben, wird über sie kaum gesprochen.2 Die Ursachenforschung im Rahmen der geführten Interviews ergab, dass bei betroffenen Frauen – neben der großen Scham – ein Gefühl der „Involviertheit“ besteht: Die Frauen berichteten, den sexuellen Forderungen ihrer Partner sehr lange, immer wieder nachgegeben zu haben und ihre eigenen Grenzen nicht wahrgenommen bzw. artikuliert zu haben. Dadurch werden ihre individuellen Grenzen immer mehr ausgedehnt und es wird für die Frauen immer schwieriger eine Handlung als Gewalthandlung zu definieren. Auch für die Zeit bevor Sexualität ein Machtmittel in der Beziehung wurde, berichteten die Frauen, dass Sexualität weder gemeinsam ausgestaltet, noch lustvoll erlebt wurde.

Schlussfolgerungen
Die Entwicklung einer selbstbestimmten Sexualität von Frauen, jenseits von Pornografisierung der Gesellschaft und zunehmenden Körperwahn, wird zu wenig thematisiert. Damit Frauen Grenzsetzungen auch im Bereich der Sexualität gelingen, ist es notwendig, dass sie Vorstellungen über ihre eigenen Bedürfnisse entwickelt haben, damit Unsicherheiten von gewaltbereiten Männern nicht ausgenützt und verstärkt werden können.

Weiters zeigte sich, dass solange die Beziehung zum Mann einigermaßen erträglich war und andere Formen der Gewalt nicht existierten, auch sexuelle Handlungen, die Frauen nicht wollten, von ihnen hingenommen wurden, um sozusagen „Ruhe“ zu haben. Verweigerten sie ihren Männern sexuelle Handlungen, hatten sie von diesen schlechte Laune, Abwertungen, Drohungen oder andere Gewaltformen zu erwarten, d.h. die Machtstrategien der Partner wurden weiter verstärkt und ein systematisches, umfassendes Dominanz- und Kontrollverhältnis wurde hergestellt. Es ist in der Studie klar ersichtlich, dass das überwiegende Muster der Beziehungen wechselhaft und von regelmäßigen Kontrollbestimmungen des Mannes geprägt ist. Die Kontrolle wurde durch häufig wechselnde Ansprüche, denen die Frauen versuchten gerecht zu werden, durch heftige Abwertungen und durch gezielte Vereinnahmung erreicht.

Schlussfolgerungen
Dem gängigen Rollenklischee entsprechend, unterwarfen sich die Frauen ihren Partnern und „entschieden“ sich lange für das „kleinere Übel“ – unerwünschte sexuelle Handlungen mitzumachen oder sich nicht zu wehren – um „Schlimmeres“ abzuwehren.

Kinder sind mitbetroffen

Wie auch bei physischer und psychischer Gewalt zeigt sich, dass Kinder auch bei sexualisierter Gewalt zwischen den Eltern mitbetroffen sind, da sie immer wieder ZeugInnen werden, was von den Frauen als besonders schlimm erlebt wurde. Zum einen berichteten Frauen davon, dass sie alles versuchten die Kinder davor zu schützen, ZeugInnen zu werden. Zum anderen flüchteten manche Frauen aber auch vor den sexuellen Übergriffen ihrer Partner ins Kinderzimmer, da sie sich hier vor weiterer Gewalt sicher wähnten. Damit erhöhte sich aber wiederum die Wahrscheinlichkeit, dass die Kinder zu ZeugInnen werden.

Schlussfolgerungen
Kinder müssen aufgrund der oben beschriebenen Situation mit den für sie völlig verwirrenden Erlebnissen oft alleine fertig werden. Wichtig ist daher auch immer, die Kinder in diesem Kontext nicht zu vergessen, sondern ihnen professionelle Hilfe zukommen zu lassen.

Isolation und Abhängigkeit erschweren den Ausstieg aus der Gewaltspirale

Es ist ein immer wiederkehrendes Phänomen bei Gewalt gegen Frauen, dass diese isoliert leben. Zum einen ziehen sich Frauen aus Scham aus dem öffentlichen Leben zurück, zum anderem werden ihnen Kontakte nach Außen durch die Gefährder verboten. Die Ergebnisse der Studie zeigen dies ebenso auf: Es war für die Frauen vor dem Frauenhausaufenthalt sehr schwer Unterstützung zu finden. Am ehesten wurden noch Freundinnen und Arbeitskolleginnen als Unterstützung genannt.

Schlussfolgerungen
Wenn Frauen nicht arbeiten und den Kontakt zu ihrer sozialen Umgebung verlieren, sind sie dem Gefährder noch mehr ausgeliefert. Daher ist es besonders wichtig, dass Frauen in einen Arbeitsprozess eingegliedert sind, so sind sie finanziell unabhängiger und durch regelmäßige Kontakte erfahren sie auch früher Unterstützung durch Arbeitskolleginnen, beides erleichtert wiederum den Ausstieg aus der Gewalt.

Weiters ist es im professionellen Hilfesetting wichtig zu berücksichtigen, dass es Opfern von sexualisierter Gewalt in Paarbeziehungen sehr schwer fällt über ihre Erlebnisse zu sprechen. Die Gewalterfahrungen gehen mit massiven Scham- und Schulgefühlen einher, welche oft sogar das Wahrnehmen sexualisierter Gewalt verhindern. Es braucht daher gezieltes Nachfragen von professionellen HelferInnen, um zu erfahren, ob und in welcher Form der Mann auch in der Sexualität gewalttätig ist oder war.

Darum ist es so wichtig, in Beratungsgesprächen Frauen die Möglichkeit zu bieten, sich anzuvertrauen. Wenn dies nicht gelingt, bleiben sie mit der Bewältigung oft schrecklicher Erlebnisse vielleicht allein und besonders nicht aufgearbeitete Gewalterfahrungen können zu ernsthaften Gesundheitsschäden führen.

Im Rahmen der qualitativen Erhebung: 16 Frauen
Müller, Ursula/Schröttle, Monika (2004): Lebenssituation, Sicherheit und Gesundheit von Frauen in Deutschland.
Die Studie kann im Sekretariat des Vereins Wiener Frauenhäuser bestellt werden.
Telefon: 01/485 30 30
E-Mail: office@frauenhaeuser-wien.at

 

„Am Anfang war ich sehr verliebt“

Ein Buch von Karin Berger und Andrea Brem

Frauen erzählen von Liebe, Gewalt und einem Neubeginn im Frauenhaus

Das Buch ist unter office@frauenhaeuser-wien.at zu bestellen.
Preis: 15 Euro zuzüglich Versandkosten


Eine Buch­emp­fehlung

„Nicht mit uns – Wie ich mit meiner Tochter unter­tauchte“

Ein Buch von Doris Povse

Jahrelang kämpfte eine Mutter dafür, dass ihre kleine Tochter Sofia bei ihr bleiben darf. Der Sorgerechtsstreit zwischen der österreichischen Mutter und dem in Italien lebenden leiblichen Vater ging durch alle

 Medien. Ursprünglich hatte sich die Mutter auch an den Verein Wiener Frauenhäuser gewandt, weil die Beziehung für sie in Italien unerträglich geworden war und sie deshalb gemeinsam mit ihrer Tochter nach Österreich zurück wollte- vor dem Gesetz bedeutet das Kindesentführung! Die folgenden Jahre waren ein auf und ab zwischen Verzweiflung, Hoffnung und Angst, je nachdem welcher Gerichtsbeschluss eintraf.

In dem Buch erzählt die Mutter, wie sie sich schließlich sogar gezwungen sah, mit ihrer Tochter unterzutauchen.

Doris Povse: „Nicht mit uns – Wie ich mit meiner Tochter untertauchte“
edition a Verlag Wien, 2014; 19,98 Euro
ISBN: 978-3-99001-084-6

 


„30 Jahre Frauenhäuser Wien“

Tagungsbericht des Vereins Wiener Frauenhäuser

Tagungsbericht (543 KB PDF)
Kontakt für Nachfragen: verein@frauenhaeuser-wien.at


Eine Buchempfehlung

Es gibt sie, auch wenn wir versuchen, sie aus unserem Alltag zu drängen: Jene Plätze, die man – wenn man die Wahl hat – lieber meidet und von welchen sich die meisten abwenden, wenn sie damit konfrontiert werden. Meist sind es Orte, die Angst erzeugen. Weil sie Geschichten erzählen von Gewalt, Hass, Ausgrenzung, Armut, Verzweiflung oder Trauer.

Der Journalist Wolfgang Freitag hat ein Buch über sehr verschiedene Schattenorte Wiens geschrieben, etwa das Flüchtlingsdorf Macondo, die integrativen Ausbildungsstätten von „wien work„, den Narrenturm, die Vinzirast und auch die Wiener Frauenhäuser.

Wenn das verbindende an diesen Orten ist, dass jede/r von deren Existenz weiß, ohne sicher zu sein, was dort tatsächlich passiert, und dass es um Plätze geht, die überwiegend mit Angst, Scheu, manchmal auch mit Widerwillen oder Vorurteilen bedacht werden, dann zählen die Frauenhäuser wahrscheinlich auch zu Schattenorten. Plätze, an denen Frauen und Kinder landen, die ihr Zuhause verlassen mussten, weil der Ort der Geborgenheit ein Ort der Furcht und Verletzung geworden ist. Auch wenn Frauenhäuser für diese Frauen eine Wende in ein Leben ohne Gewalt und Angst sind – der Weg ins Frauenhaus ist ein schwieriger, verbunden mit Scham und Trauer.

Dafür, dass Wolfgang Freitag seine Beobachtungsgabe auch den Wiener Frauenhäusern zuteilwerden und sich nicht von unserer anfänglichen Skepsis gegenüber dem Projekt abschrecken ließ, sowie für seine sensible Herangehensweise, möchten wir uns sehr, sehr herzlich bedanken.

Der Autor lässt in diesem Buch keine Ausreden gelten, wenn es darum geht, angsterfüllten Plätzen mehr als nur einen Blick zuzuwerfen und Mythen zu entzaubern.

„Dieses Buch ist Dokument einer Reise“, schreibt Freitag, zu Orten, an denen entsorgt wird, „wofür wir keine Sorge tragen wollen: nicht zuletzt unser eigenes Unvermögen, mit unseren Unzulänglichkeiten zurechtzukommen“. Die Mühe, sich mit diesen Unzulänglichkeiten auseinanderzusetzen, bringt Erfahrungen, die es wert sind, festgefahrene Vorstellungen über Bord zu werfen.

Wolfgang Freitag: „Zu den Schattenorten von Wien“
Metroverlag Wien, 2011; 19,90 Euro
ISBN: 978-3-99300-055-4